Ich muss Sie und Euch warnen, liebe Gottesdienstmitfeiernde!
Was Sie hier tun, ist gefährlich. Gottesdienst feiern ist nicht so harmlos, wie es auf den ersten Blick vielleicht erscheint.
Im Mittelpunkt jeder Messfeier steht nämlich „WANDLUNG“!
Also Achtung: vielleicht verändert sich etwas; nicht nur hier vorne am Altar, sondern auch bei Ihnen!
Wenn ich ohne irgendeine Ahnung vom katholischen Denken hier reinstolpere, sehe ich am Höhepunkt der Feier einfach nur eine runde, hellgelbe Scheibe;
„Was hebt der da vorne hoch, Mama?“ hörte ich einmal einen Vierjährigen während der Wandlung fragen. Und die Mama antwortete: „Das ist die Hostie, ein Stück Brot.“
Wenn ich Kindern versuche zu erklären, was da passiert, muss ich mich anstrengen, um klar zu machen, dass da Wandlung passiert. Aus einem seltsamen Stück Brot wird Jesus selbst.
Manchmal behelfe ich mir im Reliunterricht mit Bildern: von einer Raupe und einem Schmetterling. Oder von Hagelkörnern und einer Wasserpfütze. Da verwandelt sich ein Tier oder eben Wasser und bleibt doch genau die gleiche Materie.
So auch im Gottesdienst: die Materie bleibt gleich: es bleibt Brot, das wir nachher durch die Straßen unseres Stadtviertels tragen; aber mein Glaube weiß: es ist Jesus. Der biblische Glaube an den lebendigen Gott erlaubt nicht nur Wandlungen – er kann nicht leben, ohne Wandlung.
Vor ein paar Wochen habe ich ein Buch von Andreas Knapp zur Eucharistie in die Hand bekommen „Vom Segen der Zerbrechlichkeit – Grundworte der Eucharistie“ und ein paar seiner Überlegungen zum Thema „Wandlung“ möchte ich im Folgenden mit Ihnen teilen.
Wenn ich mich entlang der Wandlungsworte des 4. Hochgebets hangele, gibt es einige erhellende Einsichten:
„Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.“
Die sog. Epiklese, die Bitte um den Heiligen Geist, leitet die Wandlung ein.
Wandlung können wir nicht einfach „produzieren“. Auch der Priester macht nichts, schon gar keinen Zauber oder Hokuspokus (wie die lateinischen Wandlungsworte „hoc es corpus meus“) oft falschverstanden wurden. Er bittet darum, dass der Geist Gottes wirken möge.
Auch Maria fragt nicht, als der Engel Gabriel bei der Verkündigung zu ihr kommt: „was muss ich jetzt machen?“, sondern sie sagt: „Mir geschehe!“
Auch meine eigene Menschwerdung kann ich nicht machen, sondern nur geschehen lassen.
Ja, ich möchte dem näher kommen, was Gott in mein Tiefstes hineingelegt hat, aber das kann ich nicht nur durch willentliche Strategien produzieren. Ich entfalte mich wie von selbst, wo ich Gottes Geist wirken lasse.
Ignatius sagt: „Nur wenige Menschen ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich ganz seinem heiligen Willen überließen.“
Hochgebet: Da er die seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.“
Die Wandlung der Gaben von Brot und Wein spielt im Raum der Liebe. Denn die Gaben gehen durch liebende Hände. Das Brot ist nicht irgendein Brot, sondern in ihm wird die Liebe dessen präsent, der mir das Brot reicht – Jesus selbst.
Liebe erfahren wir als eine Kraft, die Menschen verwandeln kann. Wer liebt, sieht die Welt und den Geliebten mit anderen Augen. Da werden auch kleine Fehler liebevoll übersehen.
Wo Eltern ein Kind im Raum der Liebe großziehen, da verwandelt sich der Mensch, reift und wächst.
Überlegen Sie selbst: wo haben sie erlebt, dass Liebe Verwandlung bewirkt? Sich die geballte Faust wieder öffnet oder stumme Anklage zum Versöhnungswort reift?
In Jesus liebt uns Gott bis zum Letzten!
Hochgebet: Und als die Stunde kam…“
Wandlung geschieht in der Zeit und braucht ihre Zeit. Bestimmte Veränderungen im Leben können wir genau planen oder durchführen: ein Umzug oder Stellenwechsel….
Lebewesen folgen jedoch ihrem eigenen Rhythmus, dem Bio-Rhythmus, den wir respektieren müssen. Gegen diesen inneren Rhythmus zu leben, funktioniert auf Dauer nicht. Ich kann Veränderungen nicht über´s Knie brechen. Sie brauchen den richtigen Chairos.
Jede Wandlung hat ihre Eigenzeit und geschieht oft verborgen und unscheinbar. Und eines Tages merke ich: „Ich bin anders geworden.“ Oder „Der andere ist anders geworden.“
Rilke schreibt „Über die Geduld“:
Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…
Hochgebet: da er von dir verherrlicht werden sollte,
Es geht um Verherrlichung, d.h. um Ähnlich-werden des Menschen mit dem Herrn. Das Göttliche soll sich immer mehr ausprägen.
Im heutigen Evangelium ist die zentrale Frage, die Jesus stellt: Für wen halten mich die Leute? (Lk 9,18b) Für wen haltet ihr mich? Habt wenigstens ihr verstanden, wer ich wirklich bin?
Petrus bekennt sich stellvertretend für alle dazu, dass Jesus die Erfüllung der prophetischen Verheißungen ist: Wir halten dich „für den Messias Gottes!“ (Lk 9,20) Damit hat er den Kern der Botschaft Jesu getroffen.
Jesus spricht aber nicht mehr vom Messias, der herrschende politische Strukturen ändern wird; er möchte die Menschen selbst ändern, von innen her. Er steigt selbst bis in die tiefsten Abgründe des menschlichen Lebens hinab: Er nimmt das Leid, das Kreuz und sogar den Tod auf sich – und gerade deshalb ist der Mensch auch in seinen tiefsten Abgründen nicht alleingelassen – denn er trifft dort Christus, der den Menschen aus dem Leid und dem Tod in die Auferstehung mitnimmt.
Jesus geht es nicht um ein kurzfristiges, ein nur oberflächliches Heil, sondern um eine grundlegende Heilung des Menschen von der Wurzel her. Ja, Verherrlichung geht nur durch die Schattenseiten und den Tod hindurch.
Im Hochgebet geht es weiter: da nahm er beim Mahl das Brot und sagte Dank, brach das Brot und reichte es seinen Jüngern und sprach:
Wandlung geschieht im Zerbrechen. Dort wo ich krampfhaft an eigenen Projekten festhalte, laufe ich Gefahr, mich in den eigenen Projektionen zu verfangen. So sehr es manchmal auch schmerzen mag: im Scheitern von Plänen kann eine Chance warten, die mich für neue Wege und Möglichkeiten öffnet.
Und Wandlung geschieht durch Teilen und Mitteilen. Wenn ich etwas Persönliches ausgesprochen habe und mit anderen geteilt habe, verwandele ich mich. Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteiltes Glück ist doppeltes Glück – lautet ein Sprichwort. Und manchmal werden mir Dinge erst selbst klar, wo ich sie anderen gegenüber ins Wort bringe.
Hochgebet: Nehmt und esst alle davon…
Verwandlung geschieht durch Berührung, Aneignung, Einverleibung. Solange ich mir etwas oder jemanden vom Leib halte, bleibe ich distanziert und unberührt. Was ich jedoch an mich heranlasse, womit ich auf Tuchfühlung gehe, das verwandelt mich. Wenn ich mich treffen lasse, vom Schicksal eines Menschen oder von seiner Freude, da „macht das was mit mir.“ Jesus lässt sich von mir einverleiben und will so in meinem Leib lebendig werden.
Hochgebet: Das ist mein Leib, der für Euch hingegeben wird.
Jesus identifiziert sich mit diesem Stück Brot.
Augustinus wird der Satz zugeschrieben: Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi. Im Empfangen des Zeichens der tiefsten Hingabe, des Brotes, sollen wir selbst zu Brot werden, das für andere genießbar und nahrhaft ist. So wächst Gemeinschaft, Communio.
Hingabe leben heißt: nichts, was ich in Liebe loslasse, geht verloren. Es fließt verwandelt zu mir zurück.
Also ACHTUNG: Wenn Sie, wenn ich gleich das gewandelte Brot, Jesus Christus selbst empfangen, dann erklären wir uns einverstanden mit der Wandlung unseres Lebens; durch IHN und mit IHM und in IHM.
Und dann wird jede und jeder von uns zur Monstranz, zum lebendigen Tabernakel, der Jesus hinaus auf die Straße trägt – heute wird nur überdeutlich sichtbar und erlebbar, was für jeden Sonntag gilt. Wir tragen Christus unter seinem weiten Himmel zu den Menschen hinaus – jede und jeder von uns, damit Wandlung geschieht; nicht nur in der Kirche, sondern weit darüber hinaus. Amen.
Sr. Sara Thiel
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